DESTILACIJA

Erste Sonnenstrahlen kriechen durch die Ritzen des
Berner Dachstocks. 10 Uhr Morgens, nachtschlafene Rock’n’Roll-

Zeit, die letzten Schnaps- und Schweisstropfen einer langen Partynacht sind noch nicht ganz getrocknet, als eine Big Band eine Session auf Band hämmern, live und ungeschnitten – mit gerade einmal drei Proben in den Knochen und einem ordentlichen Pegel Restalkohol im Blut. Ein Kollektiv, bei dem jeder seinen eigenen Grind hat. Angetreten, um die künstlerische Narrenfreiheit bis zum letzten Zipfel auszuleben. Gegen den Strich, gegen die Regel, mit dem Kopf durch die Wand. Verdammi, dürfen die das?!


Hintergrund der Session ist das Projekt Destilacija – in Grossbuchstaben: Songs, die einem das Mark in der Wirbelsäule gefrieren lassen, den Puls bis in den Rock’n’Roll-Himmel hochjagen, wo die Engel bosnisch-emmentalerische Gutenachtliedchen säuseln. Sound ohne Namen halt, aber beim Schnaps trinken wir ja auch nicht die Etikette. Hauptsache, der Stoff fährt ein, dass die Ohrmuscheln qualmen und die Glieder tschuddern.


Es ist ein Projekt, bei dem der Chef vielleicht der grösste Risikofaktor ist: Ratterklapper-Rocker-Hitzkopf Mario Batkovic hat seinen Spinnsiechen die Vision eines genreübergreifenden Chaoskommandos eingeimpft: Totale Sabotage an den Idealen von Leuten, die Musik so pingelig betrachten, wie Südstaaten-Sheriffs zu Zeiten der Prohibition eine Bierflasche. Charaktere, Impulse und musikalische Hintergründe werden zu einem deftigen Tropfen zusammengekocht, tätschbäng, ratzfatz, einfach loslassen, einfach machen. Und danach? Keine Ahnung. Klingt verrückt. Geht möglicherweise völlig den Bach runter. Aber wisst ihr was? Wenigstens hatte einer die Eier und hat‘s probiert.


Und gerade weil die Maschinerie Destilacija zum Scheitern verurteilt scheint – dieses Ding, das von über 30 Beteiligten am Rattern, Rumpeln und Dampfen gehalten wird – genau darum sprüht der Sound vor der Kraft des Rodeo-Bullen, dem die Speere schon das Blut aus der Flanke treiben, der weiterkämpft mit dem Mut der Verzweiflung. Bis zum letzten Tropfen.

 

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